Reihe Kiosk 4: Noch ein avantgardistisches Hipstermagazin pariert…

„Rosegarden Unabhängiges Lifestyle- und Gesellschaftsmagazin“
Ausgabe 2 (29.01.2016)


Das „Rosegarden“ nennt sich zwar „Gesellschaftsmagazin“, erfüllt den Begriff aber nicht. Worin besteht wohl der gesellschaftliche Aspekt in einem „Gesellschaftsmagazin“, welches gerade die gesellschaftliche Realität ausblendet und sich in die Konzentration auf bestimmte, abstrakte Begriffe flüchtet?

Wie zum Beispiel beim Thema der Ausgabe: „Zeit“.
Natürlich wird unser Leben mehrheitlich durch aufgezwungene Tätigkeit in irgendeiner Lohnarbeit geprägt. Dies kostet unsere Lebenszeit, denn es gibt zwar noch Zeit neben der Lohnsklaverei, aber die ist durch die Lohnarbeit bereits determiniert, als Regenerationsarbeit. Nichts davon ist im „Rosegarden“ zu finden. Feige arrangiert sich das „Gesellschaftsmagazin“ mit den Umständen, ohne sie zu hinterfragen. Unsere Rolle als Lohnsklaven hat auch viel mit den im Heft erwähnten „Lebensphasen“ zu tun. Im gleichnamigen Artikel von Regine Heidorn wird überhaupt nicht darauf eingegangen, warum zufällig der größte Teil des menschlichen Lebens von der Lohnarbeit eingenommen wird. Nicht etwa einem Lernprozess oder dem Aufbau der eigenen Persönlichkeit widmet der Mensch diese Zeit, sondern dem Erwirtschaften des Profits einer verschwindend kleinen Minderheit von Eigentümern. Auf die Widersprüche dieser Ausbeutung und Ungerechtigkeit geht das Heft nicht ein – der Artikel verliert sich in sozialblindem, versöhnlichem Individualismus.

Im Artikel „Zeitlose Klassiker“ und „Das Buch bleibt, wie es ist!“ geht es um Beständigkeit und Wandel. Man konstatiert zwar im Artikel „Zeitlose Klassiker“, dass man in einer „Hochphase des Kapitalismus“ lebt, der Autor Kevin Junk lässt den Leser aber im Unklaren darüber, was das bedeutet. Weiterhin folgt ein Wirrwarr von Begriffen, zum Beispiel ein nicht näher bestimmtes „wir“ – ein No-Go in einem „Gesellschaftsmagazin“. Was „Mode“ und „Trend“ im Hinblick auf Kleidungsproduktion und -konsumption (Denn es geht um „Klassiker“ der Modeindustrie) bedeuten, in so einer „Hochphase des Kapitalismus“, und was das für die Gesellschaft heißt, wird ebenfalls weder gefragt, noch beantwortet.
„Das Buch bleibt wie es ist!“ dreht sich um Fragen der nachträglichen, politisch-korrekten Umschreibung von bereits erschienenen Büchern. Zum einen plädiert der Artikel dafür, die Werke unverändert zu belassen, aber andererseits Fußnoten einzufügen, die „verletzende“ Worte markieren und erklären sollen. Es wird gefaselt von einem „gesellschaftlichen Konsens“, wobei es hier nur um die Entscheidung des Verlages geht. Welcher Teil der Gesellschaft hat wohl sonst unmittelbaren Anteil an der Art, wie Bücher gestaltet werden? Die Drucker? Die Leser? Die Verkäufer?
Auf Fragen der Kultur und der gesellschaftlichen Zugänglichkeit von Bildung und Literatur wird genauso wenig eingegangen, wie im Artikel „Den Moment festhalten“. Es handelt sich um einen sentimentalen Bericht über ein Kinderhospiz, in dem keine wirklichen Fakten genannt werden. Auch auf gesellschaftliche Umstände wird nicht eingegangen – wie zum Beispiel die Kosten für so einen Hospizaufenthalt, oder die Antwort auf die Frage, warum die Eltern überhaupt so wenig „Zeit“ (wo wir wieder beim Thema sind) haben, sodass sie die Pflege ihres sterbenden Kindes anderen anvertrauen müssen. Sicherlich hat dies unter anderem wirtschaftliche Gründe, die den Rest der Gesellschaft ebenso betreffen, die aber nicht berührt werden.
Das Heft flüchtet sich in die Bedeutungslosigkeit individueller Interpretationen der Schicksale Einzelner und verschließt seine Augen vor der gesellschaftlichen Realität, nennt sich aber „Gesellschaftsmagazin“. Es steht exemplarisch für andere Magazine aus der „Hipsterszene“ verfasst von Akademikern, Intellektuellen und Künstlern, die in eine opportunistische Innensicht abdriften.

Wie sagte Heraklit:
“Die Wachen haben eine gemeinsame Welt, im Schlaf wendet sich jeder seiner eigenen zu.“

Und so schlafen diese Opportunisten vor sich hin, ohne den Boden der Realität zu berühren, der sie mit Fragen konfrontieren würde, die ihren Lifestyle als Armut an Persönlichkeit und ihre Berichterstattung als feige Lüge enttarnen würde.

Lasst uns aufwachen!

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2 Kommentare

  1. DickeBeineAufAugenhöhe

     /  Februar 11, 2016

    Die Taggs sind für mich, wie der Riotporn für die Nachrichten, einfach am besten! Aber ich finde, dass Magazine immer den Geist und die Denke der jeweiligen Zeit einfangen und heutzutage wurmt das postmoderne Individuum in der Scheinwelt seiner Sinnsuche in konsumgeilen Sphären ab und sucht Bestätigung durch eine Crew gleichdenkender Ottos mit Abi. Da denke ich an den Song von NMZS: Nie so wie Ihr.
    http://genius.com/Nmzs-nie-so-wie-ihr-lyrics
    Aber genug rumgehatet, abgrenzen hat noch keinem Keks weitergebracht. Lass Kacken!

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  2. Lass Kacken!
    Ich hingegen habe mich aufgemacht in den nächstgelegenen Kiosk um nachzuschauen, was der so in puncto Emanzipation zu bieten hat.
    Individuell ist für mich Emanzipation damit verknüpft in einer Einheit mit den eigenen Bedürfnissen zu stehen und auch so zu leben.
    Gesellschaftlich heißt das für mich, dass die Gesellschaft nicht den Sonderinteressen eines Staates oder einer anderen Minderheit unterliegt, sondern ihre Interessen gemeinsam organisiert, um ihnen durch möglichst wenig unnötige Anpassung, möglichst gerecht zu werden.

    „abgrenzen hat noch keinem Keks weitergebracht.“

    Wenn sich Menschen von ihrem Menschsein und gesellschaftlich von den gesellschaftlichen Belangen entfernen, dann finde ich sehr wohl, dass man sich da positionieren muss. Ansonsten macht man es genauso….

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